Spanien 1988

 

Motorradtour bis zur Algarve

 

  Gewidmet: Heiko alias Hanomag.    
  Wir hatten 1987 den "Wüstenfahrer" von Thomas Troßmann gelesen und sofort davon geträumt, so etwas auch durchzuziehen. Aber ohne Organisation, weshalb wir wohl auch klein anfangen mussten. Dann war da noch die Paris Dakar, deren Bilder uns begeisterten. Einsame Landschaften, nachts am Lagerfeuer schlafen. Also musste ein Motorrad her.




 
  Mit dem ersten übrigen Geld kauften wir uns damals zwei spätere Klassiker des Enduroreisens. 1986 gewann Honda mit der NXR750 die Paris Dakar. Deren Kardan und die Überhitzung des hinteren Zylinders erwies sich aber schnell als Problemzone.
 
Heiko kaufte deshalb eine BMW R800GS, die schnell den Beinamen Gummikuh bekam. Bei mir reichte es nur zur kleinen Schwester der Africa Twin. Eine Transalp 600V sollte es werden, die sah in weiß blau rot ihrer Wettkampfschwester immerhin sehr ähnlich. 




 
  Die erste Baureihe der Transalp kam mit eingebauter Überraschung. Der selbsteinklappende Seitenständer klappte, wegen zu steilem Winkel, bei abgestelltem Bike, ohne Grund ein.

Die erste Kamera war eine gebrauchte Canon AE1 Automatik. Zur A1 hatte es noch nicht gereicht. Man war damals schon froh, wenn sich Blende und Belichtung automatisch einstellte.

Ein GPS war noch gar nicht erfunden. Wegen des kalten Krieges waren die Daten der GPS-Sateliten nur militärischen Zwecken vorbehalten. Wir mussten also ständig grübeln, wo auf der Karte wir eigentlich waren.


 
  Meine Transalp war eine Vorführmaschine von Honda Europa. Sie wurde erstmals in den Pyrenäen den Händlern vorgestellt. Mein Händler holte sie dort und so hatte sie 1200km beim Kauf auf dem Tacho
und  eine Fahrgestellnummer mit lauter Nullern und der Zahl 7. Also ein Vorserienmodell, wie ich erst Jahre später bei dem gleichen Händler erfuhr, bei dem ich mir 2019 die neue Africa Twin ansah.



 
  Wer mal in die Wüste will muss Erfahrung sammeln, dachten wir. Und so probierten wir alles aus, was rutschig, sandig und sumpfig war. Selbst Schnee schien geeignet. Manchmal war aber auch mit den besten Enduroreifen Schluss, wie hier in Andorra auf einem Pass. Hier war nicht nur die Straße zu Ende, auch unsere Planung. Wir waren im April unterwegs und mussten einige Male Streckensperrungen in Kauf nehmen.



 
  Vollbepackt ging es Richtung Süden. Ja wohin eigentlich? Ach einfach bis Gibraltar, klingt doch coool. Unterwegs einfach alles anschauen, was auf der Strecke liegt. Die Michelinkarten waren damals das Nonplusultra. Wir fuhren einfach die vielen kleinen gelben und weißen Straßen. Übernachtet wurde irgendwo in der Pampa oder an kleinen Seen. Die zweite Pflichtlektüre war natürlich Rüdiger Nehberg. Wir mussten natürlich alles ausprobieren, was da so empfohlen wurde. Nur den überfahrenen Igel haben wir nie probiert.

 
  Das erste Zelt war irgendein Alufolien-Plastik-Verhau, der Boden hielt vieleicht Krabbeltiere ab, Wasser nicht wirklich. Gekocht wurde auf einem Esbit-Kocher, den man praktisch nicht dosieren konnte. Hochheben der Dose war die einzige Möglichkeit, die Bohnen nicht anbrennen zu lassen. Gurmets waren wir damals noch nicht, gegessen wurden hauptsächlich Ravioli aus der Dose. Als Kleidung fuhren wir damals mit Wachsjacken, die bei Hitze dann schön alles schmierig machten. Unterwegs gab`s Musik aus dem ersten Walkman, oder bei mir die Billigvariante von AIWA. Während der Fahrt die Kassette wechsel war irgendwann Routine.  
       
  Wir fuhren durch das Ardeche-Tal und dann die Cevennen. Es gab damals noch offene Offroad-Strecken durch den Nationalpark. Unterweg lernten wir einen Niederländer kennen. Er war auf einer Straßenmaschine, YAMAH SRX600 unterwegs und hatte das gleiche, unbestimmte Ziel: einfach nach Süden.


 
  Vor der ersten Offroad-Etappe fragten wir einen Einheimischen nach dem Zustand der Strecke. Er begutachtete unsere Bikes und sagte: "no problem for the transalp, but not good für the other". Ok, wir probierten es und unser Straßenreifenpilot schüttelte sich durch, begeistert kam er am Ende der Strecke nicht an. Für uns war es das erste Schnuppern von Endurofeeling. Wir waren ja beide Fahranfänger. Heiko hatte wohl zuhause auf dem Hof schon Mal mit der Kreidler 125ccm Erfahrungen gesammelt. Bei mir war es eine Herkules Prima 25! Eine perfekte Voraussetzung also.

 
  Unseren Eltern hatten wir natürlich versichert, nichts Schlimmes zu machen. Einmal pro Tag war aber Hinfallen usus, die Verkleidung der Transalp mit ihren Plastiknippeln stieß schnell an ihre Grenzen. Aber nicht wegen Unvermögen, nein - der oben schon erwähnte Seitenständer machte mich zur Atraktion, wenn das Bike vor der Kneipe plötzlich völlig unmotiviert umfiel.

 
  Der Niederländer hatte  eine Besonderheit zu bieten: Er fuhr fast ohne Gepäck, bzw mit Satteltaschen. Scramlber und Purist würde man es heute nennen. Damals nannte man es schlicht Geldmangel. Er konnte sich einfach noch keine Ausrüstung leisten. Gepäckträger gab es nicht selbstverständlich für jedes Motorrad und die Fa. Kraußer und Hepco Becker waren die einzigen am Markt, die halbwegs wasserdichte Koffer produzierten. Von Därr gab es noch Aluboxen. Das war natürlich unser großes Musthave nachdem wir die Bücher vom Thomas Trossmann und seinen Reisen durch die Sahara verschlungen hatten. Leisten konnten wir uns die Dinger erst Jahre später.


 
  Weiter ging es nach Carcasonne und dann Andorra. Damals alles noch mit Grenzkontrollen und ziemlich aufwendig. Schengen gab`s noch nicht und wir waren ja eh alle kurz vor einem Atomkrieg - zumindest gefühlt. Was heute die Trollfabrik in St. Petersburg ist, war damals die Stasi. Mit ihrem schwarzen Kanal und ihrem verlängerten Arm über die militanten Linken, hielten sie uns ganz schön auf Trapp. Erst Jahre später erfuhren wir, dass sogar ein Kollege von uns inoffizieller Stasimitarbeiter war. Keiner konnte sich 1988 vorstellen, dass dem Kommunismus mal das Geld ausgehen würde.




 
  Wir nutzten unterwegs nahezu nur kleinste Regionalstraßen. In Frankreich die Rubrik "D". Schon damals begann also etwas, was bei den Eisenbereiften zum Kult wurde: der Weg ist das Ziel, egal ob man ankommt oder nicht. Manchmal reicht die Zeit dann nur für den Rückweg nicht. Die Strecken, die Heiko raussuchte, wurden immer verrückter. Ein paar Mal ging es auf Wanderwegen über Pässe, wo uns dann der Schnee stoppte. Es war immerhin April. Wir dachten ja, in Andalusien müsste es ja warm sein. Klar, aber leider in den Pyrenäen und den Gebirgen zwischen uns und Andalusien nicht.


 
  Unvorstellbar wie der Holländer auf seinen Straßenreifen mithielt, während wir (leider auch völlig überladen) schon mit den Metzeler Enduro-Reifen zu kämpfen hatten. Heute würde man sagen,  unser ökologischer Fußabdruck war nicht gerade der sauberste, denn wir sind sogar auf Wiesen gefahren. Und das obwohl auch wir damals schon überzeugte Greenpeace-Mitglieder waren.
Heiko wollte hier nur die Steigungsfähigkeit ausprobieren, irgendwann kam ihm seine Gummikuh in der Luft entgegen.

 
  Wir mussten natürlich auch durch die La Mancha, Heiko wollte unbedingt auf den Spuren Don Quijotes wandeln. Ich musste mir tagelang Witze über Riesen und Windmühlen anhören. Und das alles im ganz eigenen Erzählstil von Heiko, der später dann wohl von Piet Klocke übernommen wurde.

Heute weiß ich: Ich war immer der Sancho Pansa...


 
  Irgendwann waren wir dann tatsächlich in Gibraltar, doch das Wetter war nicht der Hit. Aber es gab ja noch einiges zu entdecken. Also ging es an der Küste entlang Richtung Portugal. Wir fuhren am Strand der Donana-Küste entlang bis zur Mündung des Tinto bei Huelva. Heute alles streng geschützt oder mit Hotelburgen verbaut. 


 
  Auch so eine Schnaps-Idee: Um den Motor vor Salz zu schützen, schmierte ich ihn mit Olivenöl ein. In Kombination mit dem Sand verwandelte sich der Motorblock in ein Stück Felsbatzen. Noch 10 Jahre später, beim Verkauf, konnte man zwischen den Kühlrippen den Krustenbraten sehen.

 
  Am Strand lernten wir zwei Krankenschwestern aus Würzburg kennen. Die eine war Tagesdienstschwester, die andere Nachtdienstschwester. Sie lebten in einer WG und waren hier per Anhalter unterwegs. Wir nahmen sie ein paar Tage mit. Nach meiner Rückkehr zog ich bei den beiden in die WG. Es hatte gefunkt.


 
  Wir genossen die letzten Tage an der Küste mit sinnlosem Auf- und Abfahren am Strand. Bis die Kette zu rasseln anfing.
Irgendwann platzte der Reifenpilot unter meinem Gepäckträger in der Sonne....ein schöner klebriger Spaß. Wie Bembers sagt: " ä bisserl Aua is immer dabei."


 
  Irgendwann war dann doch Heimreise angesagt. Als die Zeit knapp wurde, bolzten wir in einem 1600km Stück non stop nach Hause. Völlig fertig, war es der Startschuss für viele weitere Touren, denn ich war süchtig geworden.




Ein Jahr später hatte ich einen Motorradunfall und brach mir das Bein. Danach stieg auf Mountainbikefahren um.


Heike blieb dabei und fuhr tatsächlich bei der organisierten Motorradtour des Thomas Troßmann in die Tenere Wüste.

Unerreicht.



2019 kaufte ich mir die weiß-blaue 30th Anniversery  der Africa Twin als Adventure Sports. Damit geht`s aber erst nach Corona wieder weiter.