korsika mtb tour 1989

Korsika

MTB-Tour 1989


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		Meine erste Radtour entstand aus einem Zufall heraus. Nach mehreren Verletzungen beim Sport hatte ich mir im Frühsommer 1989 einen Miniskusriss zugezogen. Mein Schulfreund Rainer überzeugte mich noch im Krankenbett diesen neuen Trend, ein MTB auszuprobieren. Wir hatten die Jahre zuvor Europa per Zug kreuz und quer abgegrast und unsere Lust auf`s Reisen entdeckt. Also musste so ein Teil her. Ein Freund der Familie war ehemaliger Tschechischer Radrennprofi und arbeitete nebenher in einem kleinen Fahrradladen. Die ersten Bikes mit Stahlrahmen und Starrgabel glänzten mit nichts, aber sie waren zumindest tatsächlich im Land ihrer Namensgeber "Scott USA" hergestellt. Mit wenig Ahnung, ein bisschen Leichtsinn - immerhin war ich frisch operiert - und viel Sehnsucht, ging es los.

		Das Ziel war schnell ausgesucht, irgendwie hatten alle von Korsika geschwärmt. Wir fuhren mit einem laubfroschgrünen D-Kadett (damals schon ein Oldtimer) bis nach Sant Moritz um von dort nur noch bergab bis zum Meer zu rollen. Dort sollte es auf dei Fähre nach Korsika gehen. Pustekuchen, dort fuhr keine Fähre an unser Ziel und so entschieden wir uns nach 164km am ersten Tag notgedrungen erst mal nach Sardinien überzusetzen. Tja, Recherche, Internet oder ähnliches war noch nicht erfunden und unsere Landkarte mit dem blauen Strich von Genua nach Bastia war wohl falsch eingezeichnet. Der Reiseführer von Michelin war auch eher was für Kulturreisende oder zum Lagerfeueranzünden.



		Diese Gumpen waren immer wieder unsere Rettung gegen die Hitze, der August war wohl nicht die ideale Reisezeit für Korsika.	Das Bild erinnert an einen Instagram-Hype: Man macht Nacktbilder von sich vor einer tollen Landschaft um Klicks für sich zu generieren. Wir hatten damals schlichtweg gar keine Badehose dabei und Insta gab`s noch gar nicht. Eigentlich war einem früher so ein Schnappschuss peinlich.	An jedem Pausenplatz trifft man auf die sympatischen Schweinchen, die auch gerne was von unserem Toastbrot wollten. Auf dem Teller kostete so ein Entrecote dann 40 Mark.

	Schon damals waren die Socken von Trigema rot, weiß, blau. Adidas wurde noch in Herzogenaurach produziert und als Werkzeug diente ein Schweizer Messer. Gebraucht wurde sowieso nur der Dosenöffner. Die Ausrüstungsliste liest sich nicht allzu lang. Im Wesentlichen sieht man alles auf dem Bild: Nichts! Bei Instagram, Facebook und Co sind ja Ausrüstungsbilder mit angeblich gaaaaanz wenig Sachen hip. Tatsächlich haben viele dieser angeblichen Abenteurer mittlerweile 1/3 Elektronik dabei, fahren mit Sponsorenverträgen, werden von einer "base" im Heimatland betreut und leben von den Klicks der Daheimgebliebenen....schade um diese Kommerzionalisierung des Fernwehs.
	Unser Hauptroblem war die große Hitze im August; vom Balast an den Steigungen waren wir schnell zur Einsicht gekommen, noch weniger Gepäck zu brauchen. Zu allem Überfluss hatten wir ein BWL-Buch für das Studium von Rainer und jeder eine Jeans dabei. Die Sachen kamen also in ein Paket und wurden mit der Post heimgeschickt. Dazu natürlich noch ein Brief an die Mama daheim, sie solle sich keine Sorgen machen....Whatsapp gab`s ja noch nicht.
	Unsere "Sportnahrung" bestand aus französischem Kola-Ersatz und Toastbrot. Für die Eiweisversorgung täglich eine Thunfischdose....lässt man heute lieber weg ;-) Versehentlich hatten wir in einer Kneipe mal ohne Speisekarte bestellt und mussten mit Entsetzen feststellen, dass die Franzosen tatsächlich viel viel Geld für ihr Essen ausgeben. Wir blieben bei den Dosen.
	Hilfe, wer hat die Heizung aufgedreht? 36 Grad im Schatten, den es leider nicht gab. Schon damals waren immer wieder Feuer von Spekulanten ein Thema, die dadurch ihre Baugenehmigung bekommen wollen. Leider fährt man dann oft stundenlang durch verkohlte Wälder. Das Hitze-Phänomen hieß damals Sommer, heute hat man bekanntlich zusätzliche Erklärungsansätze. In der Schule hatten wir bei Deutsch-Klausuren immer die Wahl zwischen den Themen Umweltzerstörung oder dem bevorstehenden Atomkrieg. Ich entschied mich immer für die Umweltthemen. Eine Theorie war damals: der Golfstrom reist bald ab und Europa wird wegen Permafrost unbewohnbar. Es kam anders; Kurz nach unserer Rückkehr fiel die Mauer der DDR und zumindest das mit dem Atomkrieg war erledigt.
	Zurück zur Hitze: meist half nur ein Sprung in die kalten und traumhaft schönen Gumpen. Leider fanden wir auch viele Schluchten die zum Schrottplatz und Mülldepod umfunktioniert waren. Wie sich bei all den Reisen in den Folgejahren herausstellen sollte, die übliche Müllentsorgung in fast allen armen Ländern. Wenn man an die penibel sauberen Länder Nordamerikas oder Skandinaviens denkt und dann noch deren tolle Campingplätze kennt war Südeuropa auf Entwicklungslandniveau. In Korsika gab damals auch tolle Campingplätze mit eingenen Terrassen für das Zelt, der Großteil waren aber einfach nur Parkplätze für Wohnwagen mit Randstreifen für Zelte.
	Instagram - gegründet als Plattform für Fotografen- oder Flickr waren noch nicht erfunden, aber den "goldenen Schnitt" und "Caspar-David-Friedrich-Bilder" als Vorbild gab es damals schon. Schlimm war nur, wenn dann auf dem einzigen Foto die Füße abgeschnitten waren, man konnte das Ergebnis ja nicht noch schnell am Display überprüfen. Ein Dia log nicht, auch am Himmel konnte man nichts ändern....und schlechte Bilder versprachen damals einen schlechten Diaabend. So ein Diaabend bei Bekannten war damals eine echte Prüfung für die Freundschaft. Die technische Inovation kam einige Jahre später, als ein Diaprojektor mit zwei Einzugsschächten erfunden wurde, so dass man zumindest fließende Bildübergänge produzieren konnte und die Gäste nicht mehr einschliefen. 20 Jahre später wertlose Geräte für damals 2000 Mark.
	Aber zurück zu Korsika; Kaufempfehlung, sollte man mal geradelt sein. Wie der Zustand heute mit dem Müll ist, weiß ich nicht. Im Jahr 2019 fand ich in meinem Garten beim Graben Milchtüten von 1967 aus Plastik. Die Tüten waren also so alt wie ich und hatten seit dieser Zeit, samt Beschriftung, in der Erde unbeschadet überstanden. Wie lange ist dann der Müll auf all den Hügeln Korsikas heute noch im Meer unterwegs? In den 90ern erfanden eifrige Leute den gelben Sack. Heute wissen wir: noch eifrigere Leute haben die Säcke nach China verkauft, wo sie dann "billiger" in`s Meer gekippt wurden....Das hätte ich wohl schon 1983 in eine meiner Schularbeiten schreiben sollen. Aber das ist eine andere Geschichte.